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Hans-Ulrich Musolff:
Das Soester Schulwesen und seine Ausbildungsfunktion für nicht-akademische Berufe um 1700.
In: Alwin Hanschmidt, Hans-Ulrich Musolff (Hrsg.): Elementarbildung und Berufsausbildung 1450-1750. Köln: Böhlau 2005. S. 167-205. (= Beiträge zur Historischen Bildungsforschung; 31)
Die ‚gelehrte Bildung’ war um 1700 nicht scharf abgegrenzt von der nicht-akademischen Berufsausbildung. Auch spätere Kaufleute und Handwerker lernten Arithmetik und Latein (auf dem Niveau aktiver Sprachbeherrschung!) am Soester Gymnasium. Empirische Ergebnisse der Untersuchung von 866 Soester Schülern, die zwischen 1671 und 1698 geboren wurden, belegen, daß es in der Stadt Soest keine scharfe soziale Trennung zwischen ‚niederer’ und ‚höherer’ Bildung gegeben hat.
Anspruchsvolle lateinische Autoren wie Cicero und die Anfänge des Griechischen wurden von den meisten späteren Kaufleuten und von einer beträchtlichen Minderheit späterer metallverarbeitender und lederverarbeitender Handwerker bewältigt.
Bis in seine Mittelstufe hinein war das Soester Gymnasium um 1700 eine Stätte gemeinsamen Lernens für alle späteren Berufe der Stadt Soest – für handwerkliche und kaufmännische Berufe ebenso wie für Beamtenberufe und akademische Berufe.
Die empirischen Untersuchungen umfassen das Eintritts- und Austrittsalter und die Verweildauer der Schüler in den einzelnen Schulklassen. Auf dieser Grundlage werden Rückschlüsse auf das Alter der Soester Lehrlinge gezogen: die Mehrheit begann ihre Lehre mit 12 – 13 Jahren, eine beträchtliche Minderheit erst mit 15 Jahren – also nach achtjährigem Schulbesuch. Spätere Kaufmannslehrlinge verließen das Gymnasium durchschnittlich im Alter von 14 Jahren 6 Monaten. Nicht alle Handwerke erforderten jedoch den vom Soester Gymnasium vermittelten hohen Grad grundlegender Bildung. Ein großer Teil der städtischen Bevölkerung nutzte das Bildungsangebot nicht. Die Schulbesuchsquote der 6- bis 14 1/2jährigen Knaben in Soest um 1700 wird auf demographisch gesicherter Basis auf 20 - 30 % geschätzt. Die höchste Schulbesuchsquote hatten die Knaben der Jahrgänge 1685 bis 1691. Die Ursachen für den Anstieg und Rückgang der Schulbesuchsquote werden diskutiert.
- Einleitung
- I. Elementarbildung, Berufsausbildung und Schulwesen
- Alwin Hanschmidt
- Elementarbildung und Berufsausbildung 1450 bis 1750.
Inhalte und Institutionen
- Jean-Luc Le Cam
- Über die undeutlichen institutionellen Grenzen der Elementarbildung.
Das Beispiel des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel im 17. Jahrhundert
- Bettina Blessing
- Konzepte der Elementarbildung und die Lebenswelt der Lehrer deutscher Schulen.
Das Regensburger Beispiel von der Reformation bis 1750
- II. Handwerker und Kaufleute
- Hanns-Peter Bruchhäuser
- Die Berufsbildung deutscher Kaufleute bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts
- Kurt Wesoly
- Berufsausbildung von Handwerkslehrlingen und Elementarbildung vornehmlich am Mittelrhein bis ins 17. Jahrhundert
- Marcel Lepper
- Wo die Meistersinger das Lesen lernten.
Elementarbildung in Nürnberg um 1500
- Reiner Prass
- Ausbildung und Schriftkenntnisse von Thüringer Bauhandwerkern 1600-1750
- Hans-Ulrich Musolff
- Das Soester Schulwesen und seine Ausbildungsfunktion für nicht-akademische Berufe um 1700
- III. Mädchen und Frauen
- Margret Wensky
- Elementarbildung und Berufsausbildung von weiblichen Handwerkslehrlingen in Köln im 15. Jahrhundert
- Juliane Jacobi
- Elementar- und Berufsbildung der Mädchen im halleschen Waisenhaus 1695-1769
- Andreas Rutz
- Semireligiosentum und elementare Mädchenbildung. Zur Unterrichtstätigkeit von Devotessen im frühneuzeitlichen Köln
- Franziska Heusch
- Elementarbildung und Berufserziehung für Mädchen und Jungen bei den Berliner Hugenotten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
- IV. Bauern und Soldaten
- Frank Konersmann
- Schriftgebrauch, Rechenfähigkeit, Buchführung und Schulbesuch von Bauern in der Pfalz und in Rheinhessen 1685-1830
- Jutta Nowosadtko
- Weniger „Kriegs=Pflantz=Schule“ denn „christliche Kinderlehr“.
Die Schulbildung der Soldatenkinder im 18. Jahrhundert
- Register der Orte und Territorien
- Personenregister
- Sachregister
- Verzeichnis der Autoren
- Verzeichnis der Tagungsteilnehmer
Wie dicht war das Schulnetz im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit? Wo haben Handwerker und Kaufleute, Bauern und Soldaten ihre Kenntnisse und Fähigkeiten erworben? Welche fremdsprachlichen und mathematischen Kenntnisse hatten sie? Welche elementare und berufliche Ausbildung erhielten Mädchen? Welche Lehr- und Ausbildungstätigkeit übten Frauen aus?
Solche Fragen stehen im Mittelpunkt der in diesem Band geführten Diskussion um den Zusammenhang von Elementarbildung und Berufsausbildung. Er versammelt Beiträge von Historikern und Erziehungswissenschaftlern und dokumentiert die große Breite, in der sowohl in den Städten als auch auf dem Lande ein – wenn auch oft nur schwach – institutionalisiertes Lernen neben dem bloß nachahmenden learning by doing stattfand. Zugleich wird die funktionale Vielfalt des frühneuzeitlichen Schulwesens deutlich. Elementares Lernen und fremdsprachliches – insbesondere lateinisches – Lernen waren häufig miteinander verknüpft. An unterschiedlichen Vermittlungsorten verwirklichte sich grundlegende Bildung, die religiöses Wissen, Lesen, Schreiben und Rechnen, aber auch fremdsprachliche Kompetenzen umfaßte.
Der Band geht auf eine Arbeitsgemeinschafts-Tagung im Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld vom 10. bis 12.11.2004 zurück. Sein Druck wurde ebenso wie die Tagung gefördert von der Fritz Thyssen Stiftung. Die Tagung war die 10. Tagung des Arbeitskreises für die Vormoderne in der Erziehungsgeschichte (AVE).
Alwin Hanschmidt ist emeritierter Professor für Geschichte und Didaktik der Geschichte an der Hochschule Vechta.
Hans-Ulrich Musolff ist Privatdozent für Allgemeine Pädagogik an der Universität Bielefeld.
348 Seiten, 3 schwarz-weiße Abbildungen, 15 farbige Diagramme, 19 schwarz-weiße Diagramme. 39,90 €
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